Bienensterben als Leitbild eines großen Aussterbens
Mir selbst ist vor allem dieses Jahr aufgefallen, dass es immer weniger Schmetterlinge gibt und Bienen sehe ich kaum mehr. Doch kann ich da gleich von einem „Insektensterben“ reden? Auch die Insektenfriedhöfe an den Windschutzscheiben und Kühlerhauben von Autos werden immer kleiner. Dafür gab es dieses Jahr – zumindest in Berlin – eine wahre Mückenplage, da wir einen sehr feuchten Start in den Sommer hatten. Optimale Bedingungen für Mücken, die einzigen Tiere, die mich mehr mögen als ich sie. Sie haben mich buchstäblich zum Fressen gern.
Gestern wurde eine langjährige Studie (seit 1989) veröffentlicht, die bestätigt, dass die Zahl der Insekten in Deutschland dramatisch zurückgegangen ist. Ein Rückgang von durchschnittlich 76 % in über 60 Naturschutzgebieten in Deutschland. Was diese Studie so glaubwürdig macht, ist der lange Beobachtungszeitraum. Über 27 Jahre beobachteten Forscher an über 60 Stellen im Bundesgebiet mit Hilfe von Fallen, wie viele Insekten sich verfingen. Durch diesen langen Beobachtungszeitraum können sich auch wetterbedingte Schwankungen der Jahre ausgleichen, sodass wir einen verlässlichen Durchschnittswert erhalten.
Erschreckend ist an der Studie, dass die Messungen allesamt aus Naturschutzgebieten kommen. Eigentlich würde man gerade hier erwarten, dass besonders viele Insekten leben.
Doch was passiert, wenn es keine Insekten mehr gibt?
Etwa 80% aller Pflanzen werden von Insekten bestäubt. Fällt diese Bestäubung weg, können sich auch die Pflanzen nicht vermehren bzw. Früchte tragen. Vor allem Bienen dienen damit uns und der Landwirtschaft. Sterben sie aus, hat das dramatische Folgen für unser Ökosystem und die Nahrungsversorgung. Etwa 1/3 aller Nahrungsmittel wird von Insekten bestäubt.
Zudem sind Insekten für mehr als die Hälfte aller Vogelarten eine wichtige Nahrungsquelle. Das bereits beobachtete Vogelsterben könnte auch daran liegen, dass immer mehr Insekten fehlen und damit die Lebensgrundlage der Vögel.
Warum sterben immer mehr Insekten?
100 % genau kann das niemand sagen, da unsere Umwelt ein Zusammenspiel aus schier unendlich vielen Einflussfaktoren ist. Im Rahmen des Klimawandels würde man eigentlich davon ausgehen, dass es mehr Insekten gibt. Wärmere Temperaturen sind für Insekten eigentlich förderlich. Doch es scheint, dass die schädlichen Effekte am längeren Hebel sitzen.
Es gibt viele aussagekräftige Hinweise, dass Pestizide aus Düngemitteln und Stickstoffverbindungen aus Abgasen einen sehr starken Einfluss haben. Im Verdacht sind dabei vor allem Neonicotinoide, hochgiftige Pestizide. Seit den 1980er Jahren sind sie eines der beliebtesten Insektizide weltweit. Sie werden vor allem in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt, um Schädlinge von der Ernte fernzuhalten. Problematisch ist allerdings, dass sie nicht nur hochgiftig sind, sondern dass auch andere Lebewesen mit ihnen in Berührung kommen, für die sie gar nicht bestimmt waren. Isst somit ein Frosch den Käfer, gegen die das Pestizid gerichtet war, kann es sein, dass auch der Frosch stirbt. Es kommt zu einem Kollateralschaden.
Auch die immer intensivere Nutzung der Böden durch die Landwirtschaft wird somit in Verbindung mit dem Insektensterben gebracht. Immer intensiver genutzte Böden müssen immer intensiver gedüngt werden. Zu den Auswirkungen von Pestiziden auf den menschlichen Körper, werde ich Dir bald mehr berichten.
Wissenschaftler sprechen vom 6. größten Aussterben der Weltgeschichte
Eine mögliche Lösung könnte die ökologische Landwirtschaft sein, in der der Einsatz von hochgiftigen Pestiziden verboten ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass diese toxischen Substanzen immer in Rückständen am Lebensmittel haften bleiben oder bei Regen in das Grundwasser gelangen. 2015 haben Studien zum wiederholten Mal gezeigt, dass die Rückstände von hochgiftigen Pestiziden wie den Neonicotinoiden in den Pollen von Wildblumen weit entfernt von gedüngten Äckern gefunden werden. Pestizide sind auch der Grund für die hohe Nitratbelastung unseres Grundwassers, weswegen auch die Trinkwasserpreise immer weiter ansteigen. Unser Trinkwasser muss immer aufwändiger gereinigt werden, um die Nitrate (ein Hauptbestandteil von Pestiziden) herauszufiltern.
Es wird immer wichtiger, dass wir erkennen, dass wir von der Natur abhängen und mit ihr bewusster umgehen müssen. Je stärker wir in den Kreislauf der Natur mit Chemiekeulen, immer intensiverer Massentierhaltung und konventioneller Landwirtschaft eingreifen, desto schlimmer werden die Folgen daraus. Dabei gibt es bereits viele Alternativen, auf die wir zurückgreifen können, die einen ethisch und ökologisch vertretbaren Umgang mit der Natur garantieren (siehe Bio-Siegel, Demeter-Siegel). Mit jeder Kaufentscheidung legen wir als Verbraucher täglich fest, in welcher Welt wir leben wollen: Qualität vor Quantität.
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Hier findest Du alle Quellen, auf denen sich mein Blogbeitrag stützt – teilweise auch zum Nachlesen
Benton, T. G./Bryant, D. M./Cole, L./Crick, H. Q. P. 2002: Linking agricultural practice to insect and bird populations: a historical study over three decades, in: Journal of Applied Ecology, Vol. 39, 2002, No. 4, pp. 673-687.
Fox, R. 2012: The decline of moths in Great Britain: a review of possible causes, in: Insect Conservation and Diversity, Vol. 6, 2012, No. 1, pp. 5-19.
Hallmann, C. A./Sorg, M./Jongejans, E./Siepel, H./Hofland, N./Schwan, H./Stenmans, W./Müller, A./Sumser, H./Hörren, T./Goulson, D./de Kroon, H. 2017: More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas, in: PLoS One, 2017.
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809
Thomas, J. A./Telfer, M. G./Roy, D. B./Preston, C. D./Greenwood, J. J. D./Asher, J./Fox, R./Clarke, R. T./Lawton, J. H. 2004: Comparative Losses of British Butterflies, Birds, and Plants and the Global Extinction Crisis, in: Science, Vol. 303, 2004, No. 5665.
Vogel, G. 2017: Where have all the insects gone? in: Science Magazine.
http://www.sciencemag.org/news/2017/05/where-have-all-insects-gone
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