Kein Commitment – von der Unfähigkeit, sich zu binden
Endlich komme ich mal wieder dazu, einen Herzensbeitrag zu schreiben. Denn die letzten Wochen und Monate waren so voll, dass ich dafür einfach keinen Kopf hatte. Gerade für das „Schreiben von der Seele“ brauche ich Zeit und Muße. Das passiert nicht zwischen Tür und Angel. Heute gibt es mal wieder einen Blogbeitrag aus der Sparte „Lifestyle“: Die Unfähigkeit unserer Gesellschaft – oder vielleicht auch nur meiner Generation (?), verbindlich zu sein. Oder zu Neudeutsch: Kein Commitment.
Was ist Commitment?
„Commitment“ ist das englische Wort für „Verbindlichkeit“ und bildet laut dem US-amerikanischen Psychologen Robert Steinberg zusammen mit „Passion – Leidenschaft“ und „Intimacy – Vertrautheit“ das „Dreiecksmodell der Liebe“. Bereits in den 1980er Jahren hat er damit ein Modell kreiert, anhand dessen man Beziehungen und Partnerschaften einordnen kann.
Dabei beschreibt die Passion, ob man sich zu jemandem leidenschaftlich hingezogen fühlt. Intimacy beschreibt die Fähigkeit, sich bei jemandem wirklich vollends fallen lassen zu können. Und zu guter Letzt beschreibt das Commitment die Bereitschaft, sich bewusst an jemanden zu binden und sich gegenseitig aufeinander verlassen zu können. Laut Steinberg kann eine wirkliche, vollkommene Liebe nur entstehen, wenn alle drei Punkte erfüllt sind. Doch gerade heutzutage fällt mir auf, dass es gerade an dem Eckpfeiler „Commitment“ aka „Verbindlichkeit“ am meisten hapert. Wir können uns scheinbar immer schwerer auf jemanden verbindlich einlassen. Doch warum ist das so?
Status Quo: Single, 32, glücklich und stehe mit beiden Beinen fest im Leben
Für diejenigen, die mich noch nicht so gut kennen, hier einmal eine kleine Bestandsaufnahme: Ich bin 32, seit einem Jahr Single und komme super gut mit mir selbst klar – ich würde sogar behaupten, dass ich „glücklicher Single“ bin bzw. bin ich nicht händeringend auf der Suche. Ich bin bei Weitem niemand, der sich gleich in die nächste Beziehung stürzen muss, sondern war immer glücklich darüber, auch einfach mal maximal Zeit für mich selbst zu haben.
Genauso gerne, wie ich Single bin, bin ich auch in einer Beziehung – ich versuche einfach immer das Beste aus der Situation zu machen. Zudem war ich immer in langen Beziehungen (längste fast 6 Jahre), habe mit meinen Partnern zusammengewohnt (teilweise sogar auf minimalem Platz für Monate im selbst ausgebauten VW Bus) und würde daher von mir behaupten, dass ich beide Welten sehr gut kennengelernt habe.
Gleichzeitig bin ich überhaupt kein Mensch, der sich auf Datingapps herumtreibt. Dafür bin ich einfach zu „oldschool“. Mir sind die Vorteile von Tinder & Co. bewusst und ich habe genügend Freund:innen, die diese nutzen. Ich bin da aber raus. In meiner romantischen Vorstellung, lerne ich meinen Zukünftigen nicht digital kennen. Ich will jemanden sehen und mit all meinen Sinnen wahrnehmen. Sehen, wie er sich bewegt, seine Mimik und Gestik, wie er mit anderen Menschen interagiert, aufschnappen, wie er riecht, wie er lächelt, etc.
Das geht nun mal nur analog und genauso wenig, wie ich möchte, dass mich jemand nur aufgrund von meinen „oberflächlichen“ Fotos beurteilt, möchte ich mir auch kein Urteil über die Person erlauben. Dabei bin ich in München als Singlehauptstadt natürlich in einer ganz anderen Position als jemand, der in einem kleinen Dorf wohnt, dieses schon durchgespielt hat und nicht so schnell jemand Neues kennenlernen kann. Ganz klar.

Nur fällt mir eines aktuell im Vergleich zu meinen anderen Singlephasen auf: Es scheitert heutzutage eigentlich immer am „commitment“.
Und das ist eine Erfahrung, die sich durch meinen kompletten weiblichen Single-Freundeskreis durchzieht. Ich habe vor allem Frauen um mich herum, die mit beiden Beinen im Leben stehen, das Herz am rechten Fleck haben und einfach tolle Menschen sind (hier noch meine Liebeshommage auf „Starke Frauen“). Daher kann ich vor allem diese Seite wiedergeben. Wahrscheinlich ist der Blickwinkel von der männlichen Seite ziemlich ähnlich – kann ich aber nicht in dem Ausmaß beurteilen. Ich denke, dass es sich hier eher um ein gesellschaftliches Problem handelt. Männer, meldet Euch auch gerne zu Wort!
Jedenfalls allesamt wahnsinnig tolle Frauen, die immer wieder an den Punkt kommen, sobald es ernster wird, kriegt der Gegenüber kalte Füße, macht sich einfach aus dem Staub oder ihm wird es „zu eng“. Eine „offene Beziehung“ und Hauptsache alles läuft unverbindlich weiter, ist das neue State-of-the-art. Aber warum?
Wegwerfgesellschaft trifft auf Tinder und offene Beziehungen
Eine Sache, die mich schon immer beschäftigt hat, ist die Tatsache, wie schnell Menschen Dinge wegwerfen, sobald sie nicht mehr so funktionieren, wie sie es gerne hätten. Kaum einer repariert mehr etwas, wenn es kaputt geht, sondern ersetzt es, ohne mit der Wimper zu zucken. Kaum jemand „hängt“ mehr wirklich an Herzensdingen. Alles ist ersetzbar. Wir sind in einer kompletten Wegwerfgesellschaft angelangt: Es ist einfacher, Dinge einfach neu zu kaufen als sich darum zu kümmern, dass etwas wieder funktioniert. Das fängt bei Gebrauchsgegenständen an und hat mittlerweile auch Einzug in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen gefunden.
Egal, ob es Freundschaften sind, in denen unangenehme Gespräche gescheut werden und man sich lieber distanziert – etwas, das es bei mir in wirklichen Freundschaften nicht gibt, alles andere sind Bekanntschaften. Aber auch in (sich anbahnenden) Partnerschaften hat dieser Wegwerfcharakter schon längst Einzug erfahren. Dank Tinder & Co. ist man scheinbar auch ziemlich schnell ersetzbar und muss sich nicht einmal die Mühe machen, sich am Wochenende auf die Pirsch zu begeben: Innerhalb weniger Minuten ist die App installiert und schon kann man auf die Balz gehen. Innerhalb weniger Sekunden hat man dann auch schon die Gegend ausgecheckt, ob brauchbares Material dabei ist oder nicht.
Kalte Füße, weil es zu fest wird
Und wenn es dann einmal soweit ist, dass man mit jemandem mehr Zeit verbracht hat, sich schon ein wenig kennengelernt hat und gemerkt hat, ob es nur Spreu oder doch schon Weizen ist, kommt es häufig zum Cut: Bevor es zu heiß wird, wird noch schnell die Handbremse gezogen. Hauptsache kein Commitment. Teilweise ist der Andere wie vom Erdboden verschlungen und meldet sich gar nicht mehr. Auch dieses Verhalten ist mittlerweile so geläufig, dass man es „ghosting“ nennt oder wie ich dazu sage: Man hat nicht einmal mehr den Arsch in der Hose, ehrlich zu sagen, was Sache ist. Wenn ich sowas mitbekomme, drehen sich wirklich alle Eingeweide in mir und ich verliere den Glauben an die Menschheit.
Wenn jemand einem nicht einmal mehr wert ist, ganz ehrlich zu sagen, was los ist, ist es für mich eine absolut menschliche Talfahrt. Charakterliche Schwäche trifft hier auf Respektlosigkeit vom andern Stern.
Rosa Lazić
Doch das Problem „Commitment“ schleicht sich auch immer mehr in bereits bestehende Beziehungen ein. Ich kenne immer mehr Partnerschaften, die eine „offene Beziehung“ führen. Bei vielen kommt es mir so vor, als wäre es nur ein Freifahrtschein, legal „fremdgehen“ zu können und dennoch ein gemachtes Nest daheim zu haben. Rosinenpickerei. Wieder bei anderen merke ich, dass dieses Beziehungskonstrukt der Beziehung irgendwie „guttut“ und man durch die neu gewonnene „Freiheit“ das Bestehende mehr wertschätzt. Als müsste man sich immer wieder die Gewissheit holen, wie viele „verkorkste Menschen“ auf dem Singlemarkt unterwegs sind und man dann doch froh sein kann, den eigenen Partner zu haben. Kann funktionieren, muss aber nicht.

Doch wie ist es bei mir?
In meinem Blogbeitrag „Bin ich wirklich zu viel?“ verrate ich ja schon einiges über mich. Bei mir gibt es nur sehr selten halbe Sachen. Ich bin eher der Typ Mensch „ganz oder gar nicht“ und dieses gesellschaftliche Treiben heutzutage führt bei mir eher dazu, dass ich gar nicht oder kaum date. Zugegebenermaßen bin ich mit meinen ganzen Selbstständigkeiten, unserem Dein Kakao Start-Up und (hey, ich bin in der Zwischenzeit auch noch Nachhaltigkeitsmanagerin für Kunst und Kultur geworden! Whoop, whoop!) Freunden & Familie mehr als ausgelastet.
Zudem lasse ich mich auf etwas emotional wirklich erst nur ein, wenn ich mir dessen sicher bin. Und für mich bedeutet „sicher“ nicht „mal schauen, wie lange es hält“ sondern für mich ist „sicher“, dass ich mir mit meinem Partner vorstellen kann, alt zu werden. Ich bin lieber alleine als unglücklich in einer Beziehung. Gleichzeitig bin ich ein sehr ehrlicher Mensch und kommuniziere meine Gefühle, Bedenken, etc., damit einfach jeder weiß, worauf er sich einlässt.
Ich würde lieber den Schmerz der ganzen Welt fühlen als nie wieder irgendetwas.
Zudem habe ich ganz andere Filterkriterien und bin auch niemand, der sich an der Zahl des „Bodycounts“ aufgeilt – da bin ich auch zu oldschool für. Lieber gebe ich all die Liebe, die in meinem Körper steckt an meine Freunde, Familie und meine Arbeit weiter, weil sie da einfach gesehen und wertgeschätzt wird. „Wertschätzung“ – da wären wir auch gleich wieder beim Thema. Ich glaube, dass wir in ganz vielen Bereichen verlernt haben, wie wertvoll manche Dinge und vor allem die Menschen in unserem Leben sind. Oder deren Bedeutung erst merken, wenn es vielleicht schon zu spät ist.
Angefangen vom Umgang mit unserer Mutter Natur, über Gegenstände bis hin zu Menschen in unserem Leben. Doch gerade zwischenmenschliche Beziehungen machen uns am meisten glücklich. Ist die vermeintlich riesengroße Auswahl das eigentliche Problem, das es uns erschwert, uns zu entscheiden? Weil wir permanent das Gefühl haben, dass wir uns „falsch“ und nicht für „das Beste“ entscheiden? Sind wir von der Unfähigkeit uns zu entscheiden so gelähmt, dass wir uns am Ende dadurch gar nicht entscheiden und damit auf jeden Fall die schlechteste Wahl treffen? Sind wir nicht alle irgendwie auf der Suche nach einer erfüllenden Beziehung?
Doch was ist unser eigenes Leben wert, wenn alles nichts wert ist?
Rosa Lazić
Lebe, liebe, lache!
In diesem Sinne: Sag’ Deinen Liebsten, wie glücklich Du bist, dass Du sie in Deinem Leben hast. Wertschätze Deine Gesundheit und sei dafür dankbar, erfreue Dich an den kleinen Dingen, die Dich glücklich machen, die Du vielleicht schon als selbstverständlich erachtest: Nichts ist selbstverständlich. Auch wenn Du schon einmal tief in Deinem Leben verletzt wurdest, lass’ es andere, die nichts damit zu tun hatten, nicht ausbaden. Hänge nicht in der Vergangenheit, sondern schau’ nach vorne. Die Vergangenheit kannst Du nicht mehr ändern und das ist auch gut so, sonst wärst Du nicht der Mensch, der Du heute bist. Aber die Zukunft, die kannst Du ändern!
Wir haben nur dieses eine Leben und gerade Gefühle machen uns zu Menschen, sie sind wunderbar und wichtig. Negative wie Positive. Es kommt immer darauf an, wie wir damit umgehen. Verrate mir Deine Gedanken hierzu gerne in den Kommentaren.
Lebe, liebe, lache – aus vollem Herzen!
Deine Rosa
Sternberg, R. J. (1986). A triangular theory of love. Psychological Review, 93(2), 119–135.

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