Gerade in der jetzigen Zeit werden wir immer mehr mit dem Thema „Gesundheit“ konfrontiert oder beschäftigen uns gar selbst mehr damit. Eine Entwicklung, die ich persönlich mit Begeisterung verfolge! Denn ich halte sie für längst überfällig. Doch das Problem dahinter ist, dass gerade in solchen Zeiten immer mehr Ernährungsmythen aufkommen. Super schwierig, sich gerade jetzt von Versprechen und Wundermittelchen mit heilsamen Wirkungen nicht beirren zu lassen.
Immer wieder lese ich, was man jetzt alles tun, lassen und essen MUSS, um ja gesund zu bleiben. Wer mich kennt und schon eine Zeit lang mitliest, weiss, dass ich kein Fan von Generalisierungen bin. Jeder Mensch ist anders, hat andere genetische Voraussetzungen, eine andere Lebensweise, einen eigenen Rhythmus, unterschiedliche Schlafbedürfnisse, Vorlieben und instinktive Abneigungen. Und jeder von uns weiss, dass sich über Geschmack streiten lässt!
Somatische Intelligenz – unsere körpereigenen Signale deuten lernen
„Somatische Intelligenz“ – das ist unser körpereigener Mechanismus, der sicherstellt, dass wir mit Nährstoffen und Energie möglichst optimal versorgt sind. Manche kennen es auch als Essen nach „Intuition“, „Instinkt“ oder „Bauchgefühl“. Auch die körpereigenen Signale, die Dir zu verstehen geben, was Dir gut tut und was nicht, gehören dazu. Denn spezielle Signale unserer Nervensysteme im Kopf und Bauch zeigen Dir auf verschiedenste Art und Weise, ob Dein Körper etwas braucht, gut verträgt oder eben nicht. Nicht zu verwechseln mit dem (Fr)Essen gesteuert von Deiner emotionalen Lage. Das ist ein sehr großer Unterschied!
Das Problem ist nur, dass wir verlernt haben, diese Signale wahrzunehmen oder gar zu deuten. Gerade weil wir im Alltag von verschiedensten Signalen von außen überrannt werden und unser Gehirn nur eine begrenzte Verarbeitungskapazität hat. Lust, Geruch, Bekömmlichkeit, Speichelfluss, Appetitlosigkeit, Sättigung aber auch Hautreaktionen und Mangelerscheinungen wie Haarausfall, Müdigkeit, etc. sind nur einige dieser körpereigenen Signale und Reaktionen. Außerdem gehören Hunger und Durst, Allergien, Durchfall und Verstopfung natürlich auch dazu.
Beispielsweise mögen viele Kinder keinen Spinat. Denn Spinat, Mangold oder auch Rhabarber enthalten Oxalsäure, die viele Kinder noch nicht vertragen bzw. ausreichend verstoffwechseln können. Bei einigen Menschen kann Oxalsäure Blutgerinnungsstörungen oder auch Nierensteine verursachen. Deshalb essen Kinder sie instinktiv nicht oder nur sehr ungern. Auch wenn wir krank sind, ist uns nicht wirklich nach Essen zumute. Unser Körper ist vielmehr damit beschäftigt, wieder gesund zu werden. Schwere, zeitaufwendige Verdauungsvorgänge beanspruchen unseren ohnehin schon ächzenden Körper zusätzlich. Deshalb sind wir krank oft appetitlos.
Schwangere haben öfters ein höheres Bewusstsein für den Nährstoffbedarf
Während der Schwangerschaft scheinen viele Frauen diese körpereigenen Signale neu für sich zu entdecken. Dieser Urinstinkt lässt sie sogar Lebensmittel essen, von denen sie sich außerhalb der Schwangerschaft geekelt haben. Der ganz spezielle Nährstoffbedarf zu Versorgung eines Embryos im Mutterleib scheint wie eine Art Fernsteuerung zu wirken.
Bedarfsgesteuertes Essen lässt sich auch bei Sportlern und Leistungssportlern erkennen: Diese neigen oft dazu, Salziges zu essen, um den Mineralstoffverlust (meist Natrium und Kalium) durch starkes Schwitzen zu kompensieren. Gleiches gilt auch für den weiblichen Zyklus. Frauen haben zyklus- und hormonbedingt unterschiedliche Essverhalten, die auch zeigen, wie schwer sich dies gedanklich steuern lässt. Haben wir Bauchschmerzen, ist auch oftmals nicht an Essen zu denken – alles Signale unseres Körpers.
Essen nach Bauchgefühl
Auch haben viele kein Problem damit, abends Rohkost zu essen, anderen bläht sich beim Gedanken schon der Magen. Die einen trinken nur Tee, andere nur schwarzen Kaffee und wieder andere nur Cappuccino. Einige lieben Koriander, anderen schmeckt es wie Seife. Viele essen die Kerne der Wassermelone mit, andere spucken sie aus. Wieder andere schälen beispielsweise sogar Äpfel, finden grünen Tee zu bitter, Kaffee bekommt ihnen nicht, dafür essen sie aber Zitronen. Manches davon sind Gewohnheiten, vieles erfolgt aber instinktiv.
Jeder, der schon einmal „Schmetterlinge im Bauch“ hatte, weiss auch, dass man damit auch erst einmal satt ist. Zumindest ist mein Hungergefühl in solchen Zeiten wie weggezaubert. Und ja, Veganer dürfen Schmetterlinge im Bauch haben – sie leben ja noch! 🙂
Tiere sind uns bei der Somatischen Intelligenz um Längen voraus. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass der Großteil des Tierreichs sich nach den körpereigenen Bedürfnissen ernährt. Eine Erklärung dafür, dass es kaum übergewichtige Tiere gibt!
Unser Bauch beherbergt unser zweites Gehirn
Das klingt im ersten Moment etwas seltsam, aber unser Darm und Magen beherbergen hunderte Millionen von Nervenzellen. Zusammen mit den Zellen des Solarplexus, einem sonnenförmigen Geflecht aus Nerven im Bauchraum, bilden sie unser „Bauch- und Darmhirn“, die Somatische Intelligenz. Über Jahrmillionen hinweg hat sich unser Gehirn im Bauch sogar weit vor unserem Kopfhirn angelegt. Durch instinktive Hungersignale hat es unseren Vorfahren gezeigt, welche Nährstoffe sie benötigten, um sich evolutionär weiterzuentwickeln. Hier ging es vielmehr ums reine Überleben – ohne wissenschaftliche Studien und tabellarische Aufzählungen, die unsere Ahnen auf dem Smartphone in der Hosentasche bereit hatten.
Einige dieser Nervenzellen in unserem Bauch sind völlig autonom. Andere sind über den Vagusnerv mit unserem Gehirn verbunden. Der Nervus Vagus verläuft durch unser Zwerchfell, schlängelt sich zwischen Lunge und Herz an der Speiseröhre entlang hoch bis zum Hals und schließlich ins Gehirn. So erfolgt ein Austausch von Informationen. Gerade als Sitz unseres Immunsystems hat unser Darm nicht nur hier wichtige Infos für das Gehirn über das allgemeine körperliche Wohlergehen, es kann auch voneinander gelernt werden.
Das bedeutet nicht, dass unser Bauch so wie unser Gehirn denken kann, dennoch ist es lernfähig. Greift ein Nahrungsmittel unsere Magen-/Darmschleimhaut an, erkennt es das und speichert dies auch ab. Diese Signale der Somatischen Intelligenz entstehen unbewusst (vegetativ). Essen wir also nach unserem „Bauchgefühl“, kann man auch sagen, dass wir uns intuitiv ernähren. Dafür ist es wichtig, achtsam auf Deinen Körper zu achten und in Dich hineinzuspüren. Manchmal schwieriger als es klingt!
Darmerkrankungen können schwerwiegende psychische Folgen haben
Auch ich musste es erst lernen, zunächst emotionales Essen zum Kompensieren von Problemen oder Langeweile von bedarfsgesteuertem Essen zu unterscheiden. Dann erst konnte ich das bedarfsgesteuerte Essen für mich persönlich beobachten und in mich hinein hören. Fernab von Marketingkampagnen, Trend-Lebensmitteln und anderem Schnickschnack, das uns auch von außen beeinflussen möchte. Gar nicht so einfach!
Studien zeigen vermehrt, dass Menschen mit chronischen Entzündungen im Bauch wie bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa höhere Raten an Angstzuständen und Depressionen aufweisen. Eine erkrankte Darmschleimhaut kann ähnlich wie bei Reizdarmpatienten über längere Zeit ein Unwohlsein und schlechte Gefühle hervorrufen. Betroffene vom Reizdarm-Syndrom leiden unter vermehrtem Gluckern und Drücken im Bauch, das oft mit Verstopfungen oder Durchfall einhergeht. Mitunter können anhaltender Stress, akuter Bewegungsmangel, eine ballaststoffarme Ernährung, Alkoholmissbrauch, eine hohe Pestizidbelastung, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, eine Übersäuerung, Schlafmangel und eine schlechte Darmflora die Ursache sein.
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass eine funktionierende Darmflora nicht nur für unser leibliches, sondern auch für unser seelisches Wohlergehen wichtig ist. Ein wenig habe ich darüber schon in meinem Blogpost zu Kombucha geschrieben – mehr zur Darmgesundheit bald!
Somatische Intelligenz kannst Du üben!
Versuche diese 10 Dinge mehr in Deinen Alltag zu integrieren. Deine Somatische Intelligenz wird es Dir danken!
- Übe Dich in mehr Achtsamkeit im Umgang mit Deinen körpereigenen Signalen.
- Achte auf eine ballaststoffreiche, zuckerarme Ernährung.
- Reduziere Deinen Stress. Übe Dich in Gelassenheit und Dankbarkeit!
- Schlafe ausreichend.
- Achte auf lange Fastenzeiten zwischen Deiner letzten und Deiner ersten Mahlzeit am Tag.
- Ernähre Dich möglichst auf Basis von biologisch angebauten, pflanzlichen Lebensmitteln.
- Mache ausreichend Sport und bewege Dich soviel Du kannst!
- Iss nicht nebenbei, sondern bewusst und nur so viel bis Du satt bist!
- Kaue ausreichend, hier beginnt die Verdauung und macht alles bekömmlicher!
- Dein Körper ist einzigartig. So auch Deine Bedürfnisse!
Mehr Achtsamkeit, mehr Dankbarkeit – back to the roots
Generell lässt sich festhalten, dass dieser Bereich der Ernährungsforschung erst seit Kurzem erforscht wird. Die Notwendigkeit ist aber in unserer Gesellschaft ersichtlich: Immer mehr Menschen leiden an Übergewicht und an den Folgen von Fehlernährung. Weil sie nicht mehr auf die Signale ihres Körpers hören, sondern Marketingkampagnen zum Opfer fallen. Auch Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker, Aromen, Konservierungsmittel, Farbstoffe und Süßstoffe können Deine Somatische Intelligenz unterdrücken. Schließlich stecken sie in nahezu allen verarbeiteten Lebensmitteln.
Zusätzlich leiden wir unter immer größer werdender Bewegungsarmut. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir unser Körpergefühl wieder zurück erlangen – eine Methode, die vor allem bei modernen Ernährungstherapien immer intensiver berücksichtigt wird. Männer schneiden laut Studien besser ab als Frauen, die eher dazu neigen, Diäten auszuprobieren oder Trends nachzueifern und generell kritischer mit ihrem Erscheinungsbild sind. Insgesamt zeigt sich, dass intuitives Essen mit geringeren Fällen von Essstörungen einhergeht.
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Quellen für diesen Blogpost
Bruce, L. J./Ricciardelli, L. A. 2016: A systematic review of the psychosocial correlates of intuitive eating among adult women, in: Appetite, Vol. 96, 2016, pp. 454-472.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0195666315300635?via%3Dihub
Denny, K. N./Loth, K./Eisenberg, M. E./Neumark-Sztainer, D. 2013: Intuitive eating in young adults. Who is doing it, and how is it related to disordered eating behaviors?, in: Appetite, Vol. 60, 2013, pp. 13-19.
van Dyke, N./Drinkwater, E. J. 2014: Review Article Relationships between intuitive eating and health indicators: literature review, in: Cambridge University Press, Vol. 17, 2014, No. 8, pp. 1757-1766.
https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridge-core/content/view/CBC03E81A54FBAAC49B2A8B2EC49631C/S1368980013002139a.pdf/review_article_relationships_between_intuitive_eating_and_health_indicators_literature_review.pdf
Hazzard, V. M./Telke, S. E./Simone, M./Anderson, L. M./Larson, N. I./Neumark-Sztainer, D. 2020: Intuitive eating longitudinally predicts better psychological health and lower use of disordered eating behaviors: findings from EAT 2010-2018, in: Eating and Weight Disorders, Epub ahead of print.
Koller, K. A./Thompson, K. A./Miller, A. J./Walsh, E. C./Bardone-Cone, A. M. 2020: Body appreciation and intuitive eating in eating disorder recovery, in: International Journal of Eating Disorders, Epub ahead of print.
Tylka, T. L./Calogero, R. M. and Daníelsdóttir, S. 2019: Intuitive eating is connected to self-reported weight stability in community women and men, in: Eating Disorders.
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